Werte⎮
gemeinschaft
Immer wieder hört man von ihr – der Wertegemeinschaft. Der Begriff steht sozusagen für das ethische und moralische Fundament dessen, was uns alle verbindet. Zu den Prinzipien zählen die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschen- und Minderheitenrechte. Wie Artikel 2 des EU-Vertrages schreibt: „Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“
All diese Prinzipien klingen gut. Aber verbinden wir tatsächlich alle das gleiche hiermit? Und was bedeuten die Grundwerte konkret für unseren Alltag? In den nächsten Wochen möchte ich dem Thema gemeinsam mit Euch auf den Grund gehen.
Same same – but different?
Spannend ist zunächst die Frage nach (Achtung, jetzt wird’s philosophisch!) Universalität oder kultureller Relativität der Grundwerte. Soll heißen: Verstehen wir alle das gleiche unter unseren Werten, oder gibt es Unterschiede? Kurzum: Heißt Freiheit das gleiche für Miguel aus Spanien, für Adeline aus Frankreich und für Marta aus Polen?
Dafür spricht, dass es um Prinzipien geht, die für alle gleichermaßen gelten (sollen). Macht man Werte von verschiedenen Kulturen abhängig, so verstößt man ja quasi schon gegen einige von ihnen. Wo sollte der Interpretationsspielraum, zum Beispiel beim Thema Freiheit, bestehen?
Dagegen kann man allerdings auch argumentieren. Nämlich dass unsere Werte sich über lange Zeit relativ unabhängig voneinander herausgebildet haben. Wir haben eine unterschiedliche Geschichte und unterschiedliche Traditionen – Menschenrechte kamen beispielsweise in ihrer modernen Form erst über den amerikanischen Verfassungsprozesse und die Französische Revolution nach Europa, wo sie sich langsam in unserem heutigen Verständnis etablierten.
Unterschiedliche Köpfe, unterschiedliche Meinungen
Man kann davon ausgehen, dass die Gründerväter und — mütter sehr konkrete Werte im Kopf hatten, als sie diesen Artikel Nummer 2 in die Europäischen Verträge schrieben. Aber für die Menschen in Europa gibt es dennoch viel Stoff zur Diskussion. So schreibt beispielsweise Giacomo in einer Diskussion zu den Werten Europas (www.debatingeurope.eu): „Peace, collaboration and respect, these are our true values. The Erasmus program, the scientific community, the smiles across our borders. These is what we are becoming, united. Turning our backs and fall apart is anachronistic, unity is the only bright future.“ Maria hingegen schreibt: „The problem is that Europe, once it has let money count more than people, has lost its values. Today we only talk about values, because of the economic crisis. If it did not exist nobody would remember them. I do not know if I want Europe to return to its values or create new values. What I do know is that to continue as we are, it will be us, human beings to blame for our own extinction. The greatest value and what is most forgotten is the value of solidarity, I ask whether Europe has ever really used this value. Our European society has to have a debate about the world we want in our present and what it wants to leave for our descendants in the future.“
Eine Wertegemeinschaft braucht eben nicht nur Werte, sondern auch Gemeinschaft. Eine Gemeinschaft, die die gleichen Werte nicht nur auf dem Papier stehen hat, sondern sie auch lebt.
Wie geht es jetzt weiter?
Wie Werte gelebt werden — genau das ist, worum es hier in den nächsten Wochen gehen soll. Wie leben wir Demokratie? Wie Menschenwürde, persönliche Freiheiten, Rechtsstaatlichkeit? So unterschiedlich die Themen sind, so wichtig sind sie für das Funktionieren unseres Alltags, und für unser Selbstverständnis.
Den Anfang macht das Thema “Demokratie”. Was bedeutet dies für Euch? Schickt mir Eure Texte, Fotos, Stichwörter!