Ein frei erfundenes Interview mit jemandem, dessen Ideen weiterleben. Und der es gewagt hat, andere zu überzeugen.
Wer kennt ihn?
Hand auf’s Herz, wer weiß, wer dieser nett lächelnde Mann ist? Genau, Jean Monnet. Und weil der sich darauf versteht, nicht nur zu träumen sondern auch zu machen, hab ich mich einmal mit ihm getroffen, obwohl er tot ist. Geht nicht? Sieht man doch, dass das geht.
Herr Monnet, Sie sind ja sozusagen der Gründungsvater Europas. Wie kommt man denn mit diesem Ruf klar?
Ach wissen Sie, Europa gab es ja vorher schon. Aber es waren halt alle sehr schlecht aufeinander zu sprechen. Kann man ja auch verstehen, es war ja das Jahr 1950, also recht kurz nach dem Krieg. Eigentlich habe ich nur überlegt, wie man mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen kann: Deutschland und Frankreich wieder an einen Tisch bringen, etwas Gutes für den Stahl und die Montanindustrie tun, Deutschland ein wenig kontrollieren. Da schien mir das eine gute Idee, eine europäische Gemeinschaft zu gründen.
Wie haben Sie denn die Staaten davon überzeugt, sich zusammenzuschließen? Das hieß ja auch, dass jeder ein Stück Souveränität aufgeben musste.
Ja, genau. Und zwar zum ersten Mal. So etwas haben wir ja vorher noch nie gemacht, sonst hätten wir den Krieg ja wahrscheinlich auch nicht geführt (schmunzelt).
Ich hab die ja gar nicht überzeugt, das war unser Wirtschaftsminister, Robert Schuman. Es war klar dass unseren Stahlmärkten das gut tat, in einem europäischen Verbund zu agieren. Wir haben die Zölle zwischen unseren Ländern abgeschafft und gemeinsame Außenzölle vereinbart. Die Hohe Behörde hat sich darum gekümmert, also der Vorläufer der Europäischen Kommission. Und eine Zollunion wollten die anderen vier (Anmerkung der Redaktion: gemeint sind Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg) ja eh schon lange. Und zwar mit Deutschland. Was neu war, war die supranationale Struktur. Also etwas daraufzusetzen, was nicht mehr nationalstaatlich war.
Wie kamen Sie denn auf die Idee? Das war ja schon riskant.
Da haben wir ja auch lange daran getüftelt. Und im Endeffekt sah die Struktur ja gar nicht so anders aus als die eines Nationalstaates: Etwas wie eine Regierung aus Hoher Behörde und Ministerrat, ein Parlament und ein Gerichtshof. Aber mir war klar: Wenn wir ernsthaft zusammenarbeiten wollen, benötigen wir diese Struktur über diesen Staaten. Sonst werden wir immer in unseren eigenen Interessen gefangen bleiben.
Wie war denn das Echo in der Öffentlichkeit? Waren alle begeistert?
Nee, überhaupt nicht! Die waren alle ziemlich skeptisch und wollten das nicht. Aber es konnte sich ja auch keiner vorstellen, was das bedeutet. Deshalb war es ja so wichtig, einfach mal loszulegen und zu demonstrieren, dass die europäische Einigung den Menschen klar zugute kommt!
Was hat denn die EGKS für die Menschen bewirkt?
Damals war ja Europa noch in ganz anderem Maße durch den Kohle- und Stahlsektor geprägt. Wir hatten eine gemeinsame Industriepolitik und konnten immerhin auf die Krisen zusammen reagieren, die kamen. Wir haben viel mehr in Forschung und Entwicklung investieren können, als wir es uns sonst hätten leisten können. Als dann Kohle kaum mehr wettbewerbsfähig war, konnten wir Arbeitern ihren Lohnausfall bezahlen oder Kurzarbeitergeld. Das haben wir immerhin für 1,7 Mio. Menschen gemacht. 220.000 Wohnungen haben wir in den Regionen bezahlt, die am stärksten vom Strukturwandel betroffen waren.
Also würden Sie sagen ihr Traum ist ein Erfolg?
Immerhin hat die Idee dahin geführt, dass wir miteinander in vielen Bereichen eng zusammenarbeiten. Mit der Zeit kamen immer mehr Bereiche hinzu, einfach weil es Sinn macht. Ob es ein Erfolg ist, das muss letztlich jeder für sich selbst beantworten.
Ich danke für das Gespräch.
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